Flexibilität: Wie viel können Unternehmer von ihren Angestellten verlangen?

Flexibilität ist ein Wort, welches nach der Jahrtausendwende viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelernt haben. Darunter versteht Unternehmer die Bereitschaft, immer und überall für den Chef verfügbar zu sein. Ein zweischneidiges Schwert, denn viele Arbeitnehmer sind nach Arbeitsschluss tätig, ohne dafür bezahlt zu werden. Wie viel Flexibilität ist angemessen? Auf diese Frage geht der nachfolgende Artikel ein.

Durch die fortschreitende Globalisierung stehen Unternehmen auf der ganzen Welt in Konkurrenz miteinander. Dieser Kampf um die Spitzenposition ist der Grund, warum Arbeitgeber immer mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von ihren Angestellten fordern. Arbeitnehmer müssen sich an Projektwechsel, technische Fortschritte, Geschäftsreisen sowie das lebenslange Lernen gewöhnen. Diese wachsende Belastung macht vielen Arbeitnehmern Angst und wirft die Frage auf, wie viel Arbeitgeber von ihnen überhaupt verlangen können.

Geschäftsreisen: Für den Arbeitgeber beruflich verreisen

Unter dem Begriff Flexibilität versteht jeder Arbeitgeber etwas anderes. Für einige ist es die Bereitschaft, nach Arbeitsschluss per Telefon erreichbar zu sein. Andere meinen damit, bei Bedarf Geschäftsreisen anzutreten.

In vielen Unternehmen sind Geschäftsreisen gang und gäbe. Doch die Reiselust packt nicht jeden Arbeitnehmer. Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass die Deutschen eher Geschäftsreisemuffel sind. Nur etwa jeder Dritte (36 Prozent) würde gerne einen Job besitzen, der mit internationalen Reisen verbunden ist (Quelle: Randstad Arbeitsbarometer). Große Lust zu Reisen haben die Italiener (73 Prozent), Griechen (66 Prozent) und Spanier (61 Prozent).

Dass die Deutschen nicht bereit sind, geschäftlich zu reisen, könnte damit begründet werden, dass sie eine zu große Belastung ihres privaten Lebens sehen. Für die Work-Life-Balance sind Geschäftsreisen eine klare Herausforderung. Der Reisende ist viele Tage im Jahr beruflich unterwegs, sieht den Nachwuchs selten und kann sich dadurch in vielen Situationen nicht aktiv an der Erziehung der Kinder beteiligen. Ein Kompromiss, den die Deutschen scheinbar nicht eingehen wollen. Es kann aber auch daran liegen, dass die Bundesbürger schlichtweg nicht flexibel genug sind.

Einheitlich: Die zusammenwachsenden Welten des Berufes und Privatlebens

Obwohl die Deutschen selten dazu bereit sind, regelmäßig Geschäftsreisen anzutreten, müssen sie in vielen anderen Berufen dennoch flexibel sein. Die Welten des Privatlebens und Berufes wachsen immer stärker zusammen. Derzeit arbeitet ein Großteil aller deutschen Arbeitnehmer in festen Strukturen.

Flexible Arbeitszeiten sind im selben Zeitraum in vielen Berufsgruppen zu beobachten. In der Produktion zum Beispiel ermöglichte der Fortschritt der Technik, die körperliche Belastung zu reduzieren. Freelancer und andere Menschen, die nicht zwingend in einem Büro sitzen müssen, arbeiten mobil von praktisch jedem Ort der Welt. Diese Arbeitsweise kommt für immer mehr Menschen infrage, die einem klassischen Bürojob nachgehen, der keine dringende Anwesenheit erfordert. Das Arbeiten aus dem Home-Office (auch Telearbeit genannt) scheitert meist an den fehlenden Rahmenbedingungen und der Präsenzkultur in Unternehmen. Deshalb ist der Anteil der Home-Office-Nutzer womöglich auch so gering[1].

Natürlich hat das mobile Arbeiten beziehungsweise die Nutzung eines Heimbüros auch einige Nachteile, wenn es nicht korrekt implementiert wird. Arbeitnehmer können auf Dauer überlastet werden oder ihre Produktivität sinkt, wenn das Arbeitsmodell nicht spezifisch auf ihn und das Unternehmen angepasst wurde.

Digitalisierung: Immer und überall erreichbar

Durch die Digitalisierung werden flexible Modelle wie die Telearbeit möglich. Sie birgt aber auch einige Risiken für Arbeitnehmer. In Deutschland gibt es laut comScore rund 46 Millionen Smartphone-Nutzer. Viele davon nutzen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Xing. Einige sind über die Netzwerke mit ihrem Chef verknüpft. Was an sich nicht als Problem erkennbar ist, kann zu einem werden, wenn der Chef den Arbeitnehmer nach der regulären Arbeitszeit über private Nachrichten kontaktiert. Wenn er auf diesem Wege über Geschäftliches spricht, arbeitet der Angestellte – häufig unwissend – ohne dafür bezahlt zu werden.

Das Arbeitszeitgesetz von 1994 regelt die zulässige werktägliche Arbeitszeit auf maximal acht Stunden. Eine Ausdehnung auf zehn Stunden ist möglich, wenn es sich um Ausnahmen handelt und der Achtstundentag langfristig vorhanden bleibt. Arbeitgeber sollten von ihren Arbeitgebern folglich nicht verlangen, auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten verfügbar zu sein – weder per E-Mail noch auf einem anderen Weg.

Alternative: Flexible Beschäftigungsformen anbieten

Arbeitgeber, die von ihren Angestellten Flexibilität erwarten, müssen im Gegenzug ebenfalls anpassungsfähig sein. Derzeit stehen viele Unternehmen flexiblen Beschäftigungsformen wie der Zeitarbeit oder Teilzeit skeptisch gegenüber. Sie bevorzugen Menschen, die ganztägig für sie arbeiten. Das ist aber nicht immer möglich. In vielen Situationen ist die Teilzeit ein Wunsch der Arbeitnehmer. Laut dem Statistischen Bundesamt (Stand: 2015) sind 85 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten freiwillig nicht vollzeittätig. Eine große Gruppe nehmen Mütter ein, die in der Teilzeit ihren Beruf und die Familie besser managen können. Angesichts einer nach wie vor ausbaufähigen Kinderbetreuungsinfrastruktur ist die Teilzeit in Deutschland weiterhin wichtig.

Flexible Beschäftigungsformen müssen für Unternehmen ohnehin kein Nachteil sein. In vielen Firmen herrschen temporäre Auftragsspitzen, die sie mit dem vorhandenen Personal nicht bewältigen können. Durch die Einstellung von Zeitarbeitern können Unternehmen gezielt auf wachsende oder sinkende Aufträge reagieren und diese fristgerecht abgeben.


  1. 7,7 Prozent laut Daten des Statistischen Bundesamtes von 2012